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In zweitägigen Fortbildungen machen sich Betriebsleiter, aber auch Lehrkräfte von Fach- und Berufsschulen, Berater und Tierärzte in Sachen „Tiergerechte Haltungssysteme und Tierwohl“ fit.
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Die Begriffe Tierwohl und Tierschutz werden nun schon seit einigen Jahren verstärkt thematisiert. Es wird für alle Beteiligten - Landwirte, Politiker, Verbände, aber auch Lehrer, Berater und Tierärzte - immer deutlicher, dass Handlungsbedarf in der Tierhaltung besteht, um den Vorgaben des Tierschutzgesetzes gerecht zu werden. Die Tierhaltungssysteme müssen stärker an die Bedürfnisse der Tiere angepasst werden. Aber auch eine regelmäßige Bestandskontrolle wird in Zukunft für die Tierhalter einzuplanen sein, damit Tierwohl "nachprüfbar" wird.

Seit 2016 führen der Verband der Landwirtschaftskammern (VLK) und die FiBL Projekte GmbH - ein Gemeinschaftsunternehmen, das von der Stiftung Ökologie und Landbau (SÖL) und dem Forschungsinstitut Biologischer Landbau Deutschland (FiBL e.V.) gegründet wurde und dem nun auch die Anbauverbände Bioland, Demeter und Naturland angehören - im Auftrag der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) zweitägige Fortbildungen durch. Diese sogenannten "Betriebsentwicklungsseminare Nachhaltige Landwirtschaft – Betriebsentwicklung in Richtung auf mehr Tierwohl" werden für die Tierarten Rinder, Schweine, Geflügel und auch kleine Wiederkäuer angeboten. Sie finden an verschiedenen Standorten über das gesamte Bundesgebiet verteilt statt. Pro Kalenderjahr werden sieben bis zehn zweitägige Intensivseminare organisiert. Die Zielgruppe sind Landwirte, Berufs- und Fachschullehrer, Berater und Tierärzte.

Ethologischer Ansatz

Allen Seminaren gemeinsam ist, dass zum Einstieg in das Thema aus dem ethologischen Blickwinkel begonnen wird. Die Teilnehmergruppe macht sich somit bewusst, welches die artspezifischen Besonderheiten der Tierart sind, was das Tier benötigt, um diese auszuleben und welche Schäden oder abnorme Verhaltensweisen entstehen, wenn das Tier seine Bedürfnisse nicht ausleben kann.

In den Intensivseminaren werden praxistaugliche Möglichkeiten aufgezeigt, wie moderne Stallsysteme diesen artspezifischen Anforderungen gerecht(er) werden können. Je nach Tierart werden Strohhaltungsställe, Freilandhaltungen und/ oder Mobilställe sowie Ställe mit unterschiedlichen Klimazonen vorgestellt.

Werden Veränderungen im Stallbau in Richtung auf mehr Tierwohl angegangen, so sind die Tierhalter vor große finanzielle Herausforderungen gestellt. Umrüstung von Stallungen und Einrichtungssystemen oder der Neubau von Ställen lassen sich oft nicht mit den Erlösen aus den sonst üblichen Vermarktungswegen decken. Wenn jedoch die Möglichkeit der "alternativen" und somit höherpreisigen Vermarktung gegeben ist, lohnt sich die Umstellung auf eine tiergerechtere Haltung in den meisten Fällen. Ein besonderer "Ertrag", der sich nicht im Deckungsbeitrag festhalten lässt, ist die Zufriedenheit der Betriebsleiter.

In den meisten Bundesländern orientieren sich die Richtlinien des Agrarinvestitionsförderungsprogramms (AFP) für besonders tiergerechte Haltungssysteme an den stallbaulichen Vorgaben der EG-Ökoverordnung. Auf dieser Grundlage diskutieren die Teilnehmer - darunter Landwirte, die sowohl konventionell als auch ökologisch bewirtschaftete Betriebe leiten - sehr sachorientiert über die Veränderungen, die zum Beispiel ein größeres Platzangebot und ein vorgeschriebener Auslauf mit sich bringen. Konventionelle Landwirte äußern sich oft sehr positiv über die konstruktiven Diskussionen und freuen sich, dass ihnen in einer nicht polarisierenden Atmosphäre Grundgedanken des Ökolandbaus und der ökologischen Tierhaltung vermittelt werden. Vonseiten der Lehrkräfte ist zu hören, dass sie dieses Fortbildungsangebot sehr schätzen, da sie sehr konkrete und praxisnahe Informationen bekommen, die in den Unterricht mit den zukünftigen Landwirten einfließen können.

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Messbare Kriterien

Ein ebenso wichtiger Inhalt der Seminare ist die Darstellung von messbaren Kriterien, anhand derer es (objektiv) nachvollziehbar wird, ob ein gewisses Maß an Tierwohl gegeben ist. So ist unter anderem regelmäßig der Tierzustand zu erheben. Dazu zählt zum Beispiel, dass eine ausreichend große Anzahl an Tieren regelmäßig genauer angeschaut wird. Um über den Tierzustand Aussagen treffen zu können, werden verschiedene Parameter erhoben. Diese sind bei Geflügel unter anderem Ballengeschwüre, Brustbeindeformationen, Befiederung, Gefiederverletzungen, Kammfarbe, Verletzungen der Haut oder Aussehen des Kloakenbereichs. Es wird versucht abzuschätzen, wie hoch der Anteil der Veränderungen ist und ob durch Managementmaßnahmen entgegengesteuert werden muss. Es wird den Seminarteilnehmern dabei deutlich, dass ein gutes, standardisiertes Controlling und ein darauf abgestimmtes schnelles Handeln von großer Bedeutung sind, um den Tieren eine Umgebung zu schaffen, in der Tierwohl möglich ist.

Wichtige Effekte dieser Intensivseminare "Tiergerechte Haltungssysteme" sind somit unter anderem:

  • praxisgerechte Aufarbeitung der AFP-Förderrichtlinie zu besonders tiergerechten Haltungsformen sowie der tierartspezifischen Vorgaben der EG-Ökoverordnung,
  • Auseinandersetzung mit ökokonformen Stallbausystemen,
  • Heranführen an Vermarktungsoptionen im Ökobereich bei der Suche nach einer Vermarktung mit Mehrerlösen,
  • Darstellung tierbezogener Parameter (qualitativen Messgrößen), die es ermöglichen, "objektive" Aussagen zum Tierwohl machen zu können.

Die Intensivseminare zu "Tiergerechten Haltungssystemen und Tierwohl" sind somit ein Baustein auf dem gesamtgesellschaftlich gewünschten Weg, eine Tierhaltung mit mehr Tierwohl zu erreichen.

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Ein Vorgängerprojekt wurde von den Projektpartnern im Zeitraum 2012 bis 2015 durchgeführt (s. B&B Agrar 1-2015, S. 11). Weitere Informationen und das Seminarangebot für das Winterhalbjahr 2017/2018 sind unter folgender Adresse zu finden:  www.tiergerechte-haltungssysteme.de.

Stand: 25.09.2017

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